Das Wasser von Siegen – oder wie Siegen zu einer Wetterstation kam
8. August 2002. Viele Siegener werden sich noch erinnern: Gegen 16 Uhr verfinsterte sich der Himmel zusehends, aus einem schönen, aber schwülen Sommertag wurde ein düsterer Nachmittag. Dann öffneten sich für 2 Stunden die Himmelsschleusen und der Regen prasselte herab in Mengen, wie es noch kein lebender Siegener je unterm Krönchen erlebt hatte. Später werden die Meteorologen sagen, dass es sich um ein Ereignis handelte, das nur alle 200 Jahre vorkommt. Die Folge dieses Rekordsegens: Die halbe Unterstadt, das WDR-Studio ist abgesoffen, der Sender bleibt stumm, und, makabrer Höhepunkt, auf dem Kääner Friedhof werden durch einen Erdrutsch Särge zu Tal gespült. Als am Abend in den Tagesthemen der ARD-Wetterexperte Jörg Kachelmann zu diesem Wetterphänomen befragt wird, muss er gestehen, dass er keine genauen Daten hat, da es bedauerlicherweise in Siegen noch keine Wetterstation gäbe. Daraufhin wendet sich Willi Bürger, Erdkundelehrer an der Realschule Am Oberen Schloss an Kachelmanns Firma Meteomedia und bietet einen Standort für eine Wetterstation neben der Schule in der Siegener Oberstadt an.
Meteomedia ist einverstanden. Nach Besichtigung der Örtlichkeiten durch Fachleute der Meteorologie- und Umwelttechnik-Firma Thies aus Göttingen, die diese Stationen für Meteomedia baut, einigt man sich auf einen geteilten Standort: Die Bodenstation, u.a. mit Temperatur-, Luftdruck- und Niederschlagsmessung wird auf der Wiese des neben der Schule liegenden Wasserhochbehälters der Siegener Versorgungsbetriebe, die Dachstation u.a. mit Sonnenschein- und Windmessung wird auf dem gegenüberliegenden Flachdach der Turnhalle Am Oberen Schloss errichtet.
Die ermittelten Daten laufen über einen Data-Logger im Netz- und Kommunikationsverteiler zusammen, der sich in der Schule befindet.
Allerdings hat die Sache einen kleinen, aber gravierenden Haken: Die Wetterstationen werden nicht etwa von Kachelmanns Firma finanziert, sondern die Kosten von immerhin 16.000,- Euro müssen vom jeweiligen Partner, in diesem Falle von der Realschule Am Oberen Schloss aufgebracht werden. Die Schule kann selbstverständlich die Station nicht aus eigenen Mitteln bezahlen, in der Regel werden die Wetterstationen über Sponsoren oder über städtische Haushalte, Kurverwaltungen u.ä. finanziert. Da wegen der schlechten Haushaltslage des Schulträgers, der Stadt Siegen, eine Finanzierung über den Etat in absehbarer Zeit nicht in Frage kommt, ist die Schule bei der Realisierung des Projekts auf Sponsoren angewiesen.
Folgende Siegerländer Firmen kann die Schule für die Wetterstation gewinnen:
Die Kosten werden von dem Entsorgungsbetrieb Siegen Esi, der selbst insbesondere an den Niederschlagswerten interessiert ist, und von der Volksbank im Siegerland, die dies als Beitrag zum Umweltschutz sieht, getragen. Die Siegener Versorgungsbetriebe SVB stellen kostenlos das Gelände für die Bodenstation auf ihrem Hochbehälter Hasengarten zur Verfügung. Die Deutsche Telekom beteiligt sich, indem ihre Auszubildenden die Daten- und Versorgungsleitungen zwischen den beiden Stationen und der Schule verlegen, und das Unternehmen die Kabel zur Verfügung stellt. Die Stadt leistet Hilfe bei den vorbereitenden Baumaßnahmen, wie Ausheben der Kabelgräben, Errichten der Fundamente für die Bodenstation und der elektrischen Versorgung, wobei das Garten- und Friedhofsamt, das Tiefbau- und Hochbauamt und koordinierend das Schulamt beteiligt sind. Letztlich sei der Eltern- und Förderverein der Realschule erwähnt, der sich sofort dazu bereit erklärt, diese Station als Eigentümer zu übernehmen und die laufenden Kosten zu tragen. Ohne den tatkräftigen Einsatz der genannten Institutionen hätte dieses Projekt nicht verwirklicht werden können.
Im Juni 2003 geht die Siegener Wetterstation ans Netz, und am 22.09. 2003 wird sie unter großer Beteiligung der hiesigen Medien vom Bürgermeister der Stadt Siegen, Ulf Stötzel, und von Jörg Kachelmann, der u.a. eine Unterrichtsstunde zum Thema Wetter hält, feierlich eingeweiht.
Die Wetterstation Siegen liegt auf 306,7 m über NN und hat die Koordinaten 50° 52° 35° Nord und 8° 1° 48° Ost.
Sie erfasst 11 meteorologische Werte, u.a. die Lufttemperatur in 2m Höhe und am Boden (5 cm), die Niederschläge, die Windgeschwindigkeit und die Windrichtung, die Sonnenscheindauer und die Globalstrahlung, sowie den Luftdruck und die Luftfeuchtigkeit. Diese hochmoderne Wetterstation wird von der Realschule Am Oberen Schloss betreut und gewartet. Dazu wurde unter der Leitung des Erdkundelehrers Willi Bürger eine Wetter-Arbeitsgemeinschaft gegründet, der z.Zt. 12 Schüler der Klassen 8-10 angehören. Die Aufgaben der Wetter-AG lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
- Wartung und Pflege der Wetterstation
- Archivierung der gewonnenen Wetterdaten
- Erstellen von Monats- und Jahres – Wetterberichten, Weiterleiten an interessierte Stellen und Medien
- Wettervergleich mit benachbarten Wetterstationen (Uni Siegen, Netphen, Olpe etc.)
- Festhalten von besonderen Wetterlagen, Wetterkapriolen, Extremwerten
- Vergleich mit alten Daten aus dem Siegerland
- Einbringen der Wetterdaten in die Homepage der ROS
Die Meteomedia AG von Jörg Kachelmann ruft die Siegener Daten stündlich ab und veröffentlicht sie auf ihrer Homepage im Internet und im Videotext des TV (ARD-Videotextseite 323, WDR-Videotextseite 166). Die Daten fließen in den täglichen Wetterbericht ein, der u.a. in der ARD gezeigt wird.
Die Siegener Wetterstation soll dazu beitragen, die kurzfristige Wettervorhersage für die Region Siegerland zu verbessern. Das ist bei uns bedingt durch das Höhenrelief besonders schwierig. Darum sind die Meteorologen auf möglichst viele Daten angewiesen, wozu gerade im Bergland ein engmaschiges Netz an Wetterstationen beiträgt. Die Realschule Am Oberen Schloss ist stolz darauf, als eine der wenigen Schulen in Deutschland eine eigene Wetterstation zu besitzen, die zudem aufs modernste ausgestattet ist. Sie hofft natürlich, dass ihre Schüler auf vielfältige Weise von dieser Station profitieren.
Hier finden sie eine aktuelle Wetterübersicht der kommenden vier Tage.
Trotzdem – ob mit oder ohne Wetterstation – eins ist und bleibt gewiss: Das Siegener Wetter bleibt weiterhin sehr wechselhaft, ist oft unberechenbar und macht allzu häufig, was es will.